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ERP-Programme haben den Ruf, Vorstände einzuschüchtern und Projektlaufzeiten in die Länge zu ziehen. Doch die Gespräche, die ich mit CFOs und Transformationsverantwortlichen geführt habe, zeigen ein anderes Bild: Moderne ERP-Transformationen können planbar, schnell und wirklich wirkungsvoll sein – vorausgesetzt, Unternehmen überdenken, wo Risiken tatsächlich liegen und wie sie Veränderungen umsetzen.

Dieser Beitrag greift die zentralen Themen unseres jüngsten ERP Unlocked Webinars auf und bietet praktische Ansätze für Finanzentscheider:innen, die Risiken reduzieren und schneller Mehrwert schaffen wollen.

Der falsche Mythos: Software als Sündenbock

Es ist naheliegend, Software als das Hauptrisiko in ERP-Projekten darzustellen. Cloud-Plattformen wirken komplex und ungewohnt, und erste Gespräche drehen sich oft um Funktionalität und Integration. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich die Realität verschoben: Die Technologie ist ausgereift, Cloud-Plattformen sind stabil, und Anbieter liefern umfassende Standardfunktionen.

Die größeren und anhaltenden Risiken sind organisatorischer Natur: uneinheitliche Prozesse in verschiedenen Regionen, unklare Entscheidungswege und zu wenig Fokus auf Adoption. Wenn diese menschlichen und Governance-basierten Themen nicht adressiert werden, verlangsamen sich Programme, die Kosten steigen, und der Nutzen verzögert sich – ganz gleich, wie leistungsfähig die Software ist.

Mit Ergebnissen beginnen, nicht mit Features

Die sinnvollsten Gespräche starten bei den geschäftlichen Ergebnissen, die von Tag eins an wichtig sind: schnellere Monatsabschlüsse, verlässliches Reporting über verschiedene Länder hinweg, strengere Kontrolle im Procure-to-Pay-Prozess oder genauere Cashflow-Prognosen. Wenn Erfolg so definiert wird, sind technische Entscheidungen – etwa welche Module zuerst eingeführt werden – deutlich einfacher.

Eine bewährte Faustregel: Konzentrieren Sie sich auf die 80 % der Finanzprozesse, die in den meisten Unternehmen gleich sind, und reservieren Sie individuelle Anpassungen für echte Ausnahmen. So entsteht schneller eine funktionierende, wertvolle Lösung – mit der Flexibilität, strategische Unterschiede später gezielt anzugehen.

Beschleunigung ist geplant, nicht zufällig

Oft gilt die Annahme: Ein schnelleres Projekt ist automatisch ein hastiges Projekt. Doch Beschleunigung lässt sich gezielt steuern – etwa durch den Einsatz von vorkonfigurierten, branchenspezifischen Prozessmodellen, erprobten Accelerators für Daten und Integrationen sowie einer stufenweisen Delivery-Methodik, die Entscheidungen transparent und nachvollziehbar macht.

Ein stage-gated Ansatz mit klar definierten Phasen – Inception, Elaboration, Construction und Transition – reduziert Nacharbeiten. Schwierige Entscheidungen werden früher sichtbar, und der Projektumfang bleibt konsequent auf den Geschäftswert ausgerichtet. Das Ergebnis ist kein „abgespecktes“ ERP, sondern ein kontrollierter Weg zur vollen Leistungsfähigkeit – nur eben schneller.

Change und Adoption als Kernergebnisse behandeln

Change Management wird zu oft als Nebensache betrachtet. In erfolgreichen Programmen ist es ein zentrales Arbeitspaket. Dazu gehören: frühes Stakeholder-Mapping, maßgeschneiderte Kommunikation, rollenbasierte Schulungen und messbare Adoptionskennzahlen – nicht generische Foliensätze.

Wenn Anwender:innen früh eingebunden werden und das Projektteam Zeit in praxisnahe Prozess-Workshops investiert, folgt die Adoption fast von selbst. Die Vorteile sind unmittelbar: weniger Umgehungslösungen, motivierte Mitarbeitende, höhere Datenqualität und schnellere Effizienzgewinne.

Praktische Lehren aus realen Programmen

Aktuelle Multi-Country-Rollouts zeigen, was möglich ist, wenn diese Prinzipien angewandt werden. Kernfunktionen in Finance und Procurement können – mit einem Outcome-First-Ansatz, Accelerators und starker Governance – innerhalb kurzer Zeit über mehrere Einheiten hinweg live gehen. Erfolgsfaktoren sind dabei immer ähnlich: abgestimmte Führung, strikte Scope-Kontrolle und konsequenter Fokus auf End-User-Readiness.

Was das heute für Finanzentscheider:innen bedeutet

Wenn Sie über eine ERP-Transformation nachdenken, lässt sich die wichtigste Empfehlung so zusammenfassen:

  • Definieren Sie die Geschäftsergebnisse, die am meisten zählen, und lassen Sie diese den Umfang bestimmen.

  • Nutzen Sie erprobte Standards und Accelerators, statt gängige Prozesse neu zu erfinden.

  • Stellen Sie Governance und gestufte Entscheidungen sicher, damit Fortschritt sichtbar und planbar bleibt.

  • Investieren Sie von Tag eins in Adoption – das ist der Unterschied zwischen einem neuen System und einer neuen Arbeitsweise.

ERP-Programme werden nie trivial sein. Aber sie müssen auch nicht traumatisch sein. Den Blick vom „Wird das System funktionieren?“ hin zu „Wird sich die Organisation verändern?“ zu verschieben, macht das Risiko beherrschbar – und verkürzt den Weg zum Mehrwert.